Auszeit für die Klofrau
03/08/2001
Klofrauen führen ein Leben, das die Hygiene auf eine ganz eigene Art und Weise gewissermaßen umzingelt. Sie sitzen vor porentief gereinigten Toilettenanlagen und passen auf. Sie sind die Wächter der Sauberkeit, und eine geübte Klofrau sagt es uns beim Eintritt in die heiligen Hallen mit einem kurzen Blick, manchmal sogar mit einem Zwinkern: “Nicht daneben machen!!!“ Und so nehmen wir es also mit auf die Toilette, das Wissen, dass das, was uns im Leben daneben geht, von der Wächterin der Hygiene wieder hinweggewischt werden muss, glänzend und sich spiegelnd im Angesicht eines Meister Propper, der mit seinem Lächeln auf den Fliesen jeden Fleck vergessen lässt. Nicht dass man deshalb gleich Angst hätte, einzutreten. Aber jedes Pissoir, von der „Basistoilette“ ganz zu schweigen, wird dadurch immerhin umgehend mit dem angemessenen Respekt behandelt. Was ist es nun aber, das die Klofrau so besonders sein lässt? Was gibt ihr die Ehrfurcht, die wir so automatisch vor ihr empfinden? Ist es vielleicht ihre Gelassenheit, gepaart mit Strenge und Disziplin? Geht man dem Problem auf den Grund, dann entdeckt man Folgendes: Sie ist die einzige öffentliche Verkörperung des asiatischen Zen in unserer Gesellschaft. Und was dem Samurai sein Langschwert, das ist der Klofrau ihr Wischmopp. Und was dem Krieger die Meditation, das ist ihr die Bildzeitung oder das Goldene Blatt. Was beiden wiederum gemeinsam ist: Sie kennen das Leben und loten es bis auf die Grundtiefen aus. Dabei verkleiden sie sich auffallend ähnlich. Allein was ihrem Kittel noch fehlt, ist der Gürtel. Aber Unterschiede in den Kulturen muss es geben. Wenn es sich dabei freilich auch manchmal nur um Kleinigkeiten handelt. Sie ist die öffentlich bescheidene Meisterin des Lebens. Denn wo findet sich die Ausgewogenheit von Entspannung und Belastung, Ruhe und Aktivität, so vollendet wieder? Wo? Da ist es also wieder, unser fortwährendes Zen, das sitzt es, die Hände gefaltet neben seinem Tellerchen, ganz wie ein Bettelmönch. Und es gibt viele gute Gründe, diese Einzigartigkeit der Erscheinung, eingebettet in hygienische Wahrhaftigkeit, zu unterstützen. Denn wir können hoffen, dass der Geist der Weisen durch unser Geben auch in uns hineinfährt und uns innerlich entzündet. Freilich nicht, ohne dass wir uns bereit gemacht haben. Denn wer weiß nicht, dass die Lichtmomente geistiger Erfahrung am ehesten in einem Zustand vollständiger Leere zu erwarten sind. Kann man überhaupt die Dreifaltigkeit von Körper, Geist und Seele näher und wahrhaftiger beieinander finden als in Ihrem Dunstkreis. Also denken Sie dran, wenn Sie dort, im Irgendwo eines Dankeschön-Tellerchens bei Ihr Halt machen. Sagen Sie laut Danke, öffnen Sie Ihr Portemonnaie, seien Sie großzügig gegen sich selbst und geben Sie sich dem Augenblick ganz hin. Doch verneigen Sie sich nicht. Sie würde es nicht aufnehmen. Denn es ist gut möglich, dass Sie die Augen geschlossen hat. Stören Sie sie nicht. Lassen Sie nur Ihr Kleingeld im Teller erklingen wie den Gong eines tibetischen Klosters. Sie meditiert gerade und schreitet dem Traum menschlichen Vervollkommnung im Geiste entgegen. Psssst.