Die Welt ist nicht genug
10/08/2001
Alles haben müsste man. Sich alle Wünsche erfüllen können, das wäre was. Aber was wäre das? Tauchen wir der Frage, während wir so im Dagobertschen Geldspeicher schwimmen, doch am besten auf den Grund. In der Regel verbinden wir mit Haben Dinge wie Sicherheit, Erfüllung unserer Wünsche, Freiheit und Glück. Die Liste lässt sich natürlich beliebig erweitern. Unterm Strich sehen wir darin den Final Countdown all unserer Sorgen. Sogar unsere gesundheitlichen Probleme wären dann wie mit einem Mal vom Winde verweht und für immer weg geblasen. Und wenn nicht ganz, dann hätten wir immerhin die beste Behandlung. Alles haben! Das wäre so ähnlich, als würden wir das ewige Leben auf Erden gewinnen. Aber würden wir das wirklich wollen? Nicht nur das ewige Leben, sondern auch das ewige Leben in Saus und Braus? Sind wir denn so beschränkt, dass wir uns nichts Besseres vorstellen können als unser kleines, mickriges Erdenleben im Rausch der nimmer endenden Konsumzeit? Glauben wir wirklich, die Hängematte am Strand ist des Pudels ewiger Kern? Highländer leidet, wenn auch keineswegs an Geldmangel. Aber leiden tut er, das kann jeder sehen, der einen Fernseher daheim hat. So. Und Midas? Erinnern wir uns: Es ging ihm schlecht, dem alten Gierhals. Und was sagt die Bibel, dieses nimmer endende ewige Weisheitsbuch? Es muss wirklich zu allem seinen Senf dazu geben. Kann es denn nicht einmal den Mund halten? Wer Ohren hat zum Hören, der höre: Es sagt, wir sollen Schätze im Himmeln sammeln. Aha! Im Himmel. Aber wir haben ja auch nicht gefragt, was wäre, wenn wir Schätze anhäufen würden. Wir wollten ja wissen, was es bedeuten würde, schon alle Schätze beisammen zu haben. Und dann? Was wäre dann? Hätten wir sie dann noch alle beisammen? Nehmen wir an, wir wären ganz auf den Grund des Geldspeichers hinabgetaucht, was in einem kurzen Text kaum möglich ist. Wir nehmen es trotzdem einmal an. Würden wir nicht spätestens jetzt, da wir den goldenen Boden berühren, nach Luft ringen und uns bemühen, schleunigst wieder an die Oberfläche zu kommen? Denn sehen Sie: So wie wir nie auf den Grund kämen, so kämen wir auch nie mehr hoch an die frische Luft. Denn der Geldspeicher, Sie ahnen es: Er ist ein Fass ohne Boden und wer da einmal rein taucht, der findet auch nicht mehr raus. Er taucht nur noch. Und war es nicht Sir Peter Ustinov, der einmal so treffend behauptet hat, das Nichtstun ist für Philosophen und Aristokraten da. Die Philosophen legitimieren sich über ihren Berufsstand und die Aristokraten haben sich das Nichtstun über Generationen hinweg beigebracht. Und wir, die Armen und Mittleren, die Schatzsucher im Ringen um einen ewigen Schutzwall vor den Gewittern des Lebens und der Zeit, die Taucher durch den Alltag im Kampf ums Glück, die Sternsucher auf dem Weg zum hellsten Licht? Schultern wir die Sicherheit als Irrlicht, satteln wir die Freiheit als Ungewissheit im Urvertrauen und packen wir das Glück bei den Haaren, um uns daran in den Himmel zu ziehen. Und nun, da wir in Moonraker die Welt umkreisen, küssen wir unseren Liebsten und hauchen: „James, nimm mich noch einmal mit um die Welt!“ Genug ist nie genug.