Der Fußballschuh des Manitu
01/09/2001
Wer den „Schuh des Manitu“ gesehen hat, der weiß, dass die Schoschonen den Klappstuhl ausgegraben haben. Und kurz darauf liefert der Himmel sogar den Beweis dafür, denn als Rauchzeichen finden wir den Stuhl unter dem blauen Himmel der Prärie wieder, sich selbst im Äther wiegend wie ein Traumgebilde. Ästhetik und Phantastik genug, um sich einmal hinein zu setzen und den Blick bis über den Horizont hinaus, beinahe unendlich, schweifen zu lassen. Das war gestern, kurz vor Sonnenuntergang. Die Sonne schickte noch einen letzten Gruß auf meinen Klappstuhl, während mein Auge in der Ferne wie ein kleines Feuerwerk das Einschalten des Flutlichts im Münchner Olympiastadion wahrnahm. Das Bild im Zenit meines Auges war schließlich ein Anpfiff des Unparteiischen. Und ich sah, wie Deutschland gegen das Vereinte Königreich um die WM Qualifikation kämpfte und mit Eins zu Null in Führung ging. Thorsten hatte nämlich seinen Bayerischen Jancker angezogen, um so, sonntagsträchtig eingepackt, der Welt ein Tor zu schenken. Was dabei übersehen wurde war: Auch die Engländer hatten sich fein gemacht. Owen hatte sein Sonntagskleid angezogen und Beckham seine Ballett- und Tanzschuhe, ganz in Weiß. Und so tanzten die beiden einen Tanz, der in seiner ganzen Pracht, vorgetragen im schönsten künstlichen Licht, einer Demontage des deutschen Fußballs glich. Die Pirouetten des Balltänzers endeten mit Pässen, die Owen, der sich beinahe mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegte, mit einer Sicherheit ins Tor trug, die uns an die unmerkliche Gewalt des Flügelschlags eines Schmetterlings erinnert, der hinter dem Horizont die Welt verändert. Und noch bevor das Ballfest vorbei war, sah ich am Spielfeldrand Rudi V. sitzen, nachdenklich und enttäuscht, den Schnauzer ganz brünett, die Haare aber schon sehr grau, ganz so, als hätte sie das Rauchzeichen der Schoschonen in triste Farben getaucht. Dies alles sah ich, während ich aus der Ferne über den eigenen Horizont hinaus schaute. Und ich dachte, während im Stadion das Feuerwerk zu Ende und die Lichter ausgingen, noch einmal auf den deutschen Fußball. Was tut Not? Rudi, dachte ich, lass sie nur Krieg führen, da unten auf dem Rasen, lehn Dich zurück und schau Dir das ganze mal aus der Perspektive meines Klappstuhls an. Hier, wo die Weite noch keine Phrase ist und der Geist sich öffnet, erkennst Du vielleicht, dass der Schuh des Manitu in Wirklichkeit ein Fußballschuh ist, formvollendet und noch schöner als die Ballettschuhe eines Beckham. Rudi, Mensch, ich sage Dir, geh auf Schatzsuche und noch bevor drei Monde vergangen sind, wirst Du den Schatz in Deinen Händen halten und den deutschen Fußball retten. Und jetzt mach Dich auf den Weg, damit Du rechtzeitig zur WM zurück bist. So sinnierte ich, während ich auf meinem Klappstuhl saß. Und die Sonne ging auf und die Sonne ging wieder unter. Die Zeit verstrich, die Wolken kamen und zogen weiter, die Sonne stand im Zenit und neigte sich wieder. Es war ein vollendeter Kreislauf. Und ich dachte noch: Die Götter haben den Menschen den Fußball geschenkt, weil er die vollkommene Allegorie des Kreislaufs des Lebens ist. Eine runde Sache. Das Leben ist ein „Tango“, ein tanzender Ball im Universum. Was mag wohl der Häuptling des Fußballs dazu sagen? Wir wissen es: „Schaun wir mal. Ich blicke optimistisch in die Zukunft!“