Band 1 – 1.3 – Floh unterm Hackebeil

Floh unterm Hackebeil

Wenig ist mir heut‘ geblieben,

Und ich hab‘ mich aufgerieben-

Einen lieben langen Tag

Lebte ich in einem Sarg.

Nicht, daß ich schon tot gewesen,

Steif und stinkig am Verwesen,

Doch im Dickicht und Gewühl

Gab’s ein ähnliches Gefühl,

Das mir heute überdies

Luft in meine Lunge blies.

Ja, ich war heute zerlumpt,

Abgefüllt und ausgepumpt,

Sah manchen Geschäftemacher,

Lügenmäuler, Chinakracher,

Sah die Autos quer sich kurven,

Damen durch die Straßen schlurfen-

Sah in der Früh die Müllabfuhr,

Wie den Abspann von BenHur;

Denn hier stellte ich mir vor,

Wie Geschichte sich verlor:

Wie man noch in einst’gen Tagen,

unter Stöhnen und viel Klagen

Mit dem Pferd kam angeritten,

Um den Müll dann umzuschütten;

Wie’s Motoren noch nicht gab,

Alles still war wie ein Grab

Und man, wie eine lichte Sonde,

Allsehend noch schlafen konnte.-

Als kein Wecker noch nicht weckte

Und kein Lärmen noch erschreckte,

Als die Menschen friedlich waren,

Ganz allein und auch in Scharen,

Und man, wenn’s einen überkam,

Nur ab und zu ein Blutbad nahm.

Doch ich leb‘ in Technozeiten,

Die das Brot mir zubereiten,

Über Straßen mich begleiten-

Die hin und her das Licht mir schalten,

Stumme sind und doch Gewalten.

So nur bin ich eingebunden,

Aufgerieben, abgeschunden,

So nur nehme ich hier Teil

Als Floh unter dem Hackebeil.-

So nur hab ich einen Sinn,

Weil ich Rumpelstilzchen bin-

Springe hin und springe her,

Keiner sieht mich nun ja mehr.

Ich spring‘ hoch und tief und steil,

Glücklich unter’m Hackebeil.

Und das schwingt sich lebend aus,

Bis es dann hinuntersaust

Und mich dennoch niemals trifft,

Denn ich habe einen Lift,

Hänge stets am letzten Faden,

Schon am Stiel, so wie ein Braten;

Doch fährt das Beilchen dann nach oben,

Werd‘ ich stets mit hochgezogen-

Und saust das Ding nun schnell nach unten,

Dreh‘ ich noch oben meine Runden.

Außerdem bin ich sehr klein,

Kitzelig und sehr sehr fein,

Trage Hemd nur und Krawatte,

Lieg‘ auf einer Riesenmatte,

Die ich Tag um Tag genieße-

Raten Sie: Es ist die Wiese.

Kurz: ich lebe unbekannnt,

Selig im Schlaraffeenland.

Zum Frühstück gibt’s stets Zuckerbrötchen,

Sahnehäubchen und Pastetchen;

Was auch immer ich hier tue

Ist Bestandteil meiner Ruhe,

Wie ich mich betracht‘ und teste:

Immer eine reine Weste.

Ob ich singe oder tanze,

Oder ob ich eine Wanze

G’rade mal im Schlaf erschrecke,

Kitzle, trete oder necke-

Immer bin ich ganz entspannt,

Wohlgelaunt und unbekannt.

Keiner hat mich je geseh’n

Keiner kennt noch mein Gesicht,

Und wenn man auch Schlange steht,

Zeige ich mich dennoch nicht.

Ich bin also und bin doch nicht,

Bin mein eigenes Gericht,

Keiner kann über mich schalten,

Mich vermarkten und verwalten,

Keiner mir ’ne Rechnung schicken,

Zur Beerdigung beglücken-

Ich bin tot und doch lebendig,

Bin ein Nichts und dennoch wendig,

Bin wie eine leere Hülle,

Die ich mit mir selber fülle

Und bin ganz allein zu Haus‘-

Im Flohzirkus

Und Schluß und Aus.

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