Band 1 – 1.4 – Vernaschen

Vernaschen

Oh ja Madame, ich weiß:

Heut´ abend wollte ich Ihnen nur lauschen,

Gewiß, es herrschte Einigkeit,

Und am Klang Ihrer Worte wollt´ ich mich berauschen.

In mir sollten Ihre Gedanken hausen,

Mein Herz sich verwandeln zu Ohrensausen.

Heute sollt ich mich eben mal ganz hinschenken,

Und einmal nur nicht an mich selber denken;

Den Egoisten beiseite lassen,

Und ihn nicht nur nicht lieben, nein-

Heut´ sogar hassen.

Dann fingen Sie an,

Und ohne zu zagen,

Möcht‘ ich Ihnen darüber die Wahrheit sagen:

Sie sprachen nicht als Sie mich hielten in Zangen,

Nein Liebste, das wäre zu wenig, Sie sangen –

Von Vogelgezwitscher, von Waldesrauschen,

Von feinen Hunden und ihren Frauchen,

Von den Farben der Blumen, von Terracotta,

Von Lavendel, Geranien, Lavazza und Motta.

Sie lobten Chopin, Dostojewski, Biquot,

Und priesen ein reinliches Damenklo.

Villeroy, Boch- höre ich sie noch hauchen,

Die Sicherheit, niemals das Becken zu stauchen.

Ihr Atem war Trüffel, Ihr Duft war Jasmin,

Und all dieses hätte ich gerne verzieh’n.

Ja, bis hierhin fand ich ja alles noch heiter,

Und in mir drinnen, da rief es: Mach weiter.

Doch allzubald fingen sie an auszusetzen,

Nörgelten an meinen Sockensätzen:

Das Paar hat ein Loch an der höchsten Stelle,

so klingt mir im Ohr noch wider die Schelle-

Auch mein Hemd sei schon zu lange getragen,

Die Manschette schon krumplig und dann auch der Kragen.

Auch die Hose, so hört‘ ich Sie inbrünstig klagen,

Sei nicht so ganz spritzig, aus älteren Tagen.

Kurzum, sie meinten, ich sei wohl nicht modisch,

Mein Schritt zu getragen und viel zu melodisch.

Mein Parfum stamme wohl noch aus Jugendstil-Zeiten,

So hört‘ ich Sie auf meiner Duftnote reiten.

Na und dann mein Gesicht, das war auch nicht sehr modisch,

Mein Knie sei zu blaß und mein Po nicht erotisch,

Die Beine seien nicht kräftig genug,

Meine Arme so lang wie ein Güterzug.

In den Ohren klingt noch ihr Liebesschwur,

Ich hätte die krummste und schiefste Figur,

Die auf Gottes Erden sich finden ließe,

Nein, eine zweite gäb’s nicht wie diese.

Und es folgten aus Ihnen noch endlose Worte

Kritikastischer und ganz abscheulichster Sorte.

Und doch: Ich fand Sie so wunderschön.

Zu Beginn hab‘ ich in Ihre Augen geseh’n,

Ich schaute den Mund, die Lippen, die Wangen,

Ich fühlte den Hauch und wollte Sie fangen.

Wortlos sicherlich hätten Sie´s soweit getrieben,

Mich flüstern zu lassen, ich würde Sie lieben.

Prinzessin, Herrin, hätt‘ ich Sie genannt,

Mich selbst gar verleugnet und nicht mehr gekannt.

Ihr Mund sollte küssen und begann doch zu sprechen,

Und dafür mußte ich mich dann auch rächen.

Mein Blick glitt von Ihrem Gesicht nach unten,

Ich sah Ihre Brüste, den Po, den runden,

Ich schaute Ihr Knie bis hinab auf die Füße

Und hauchte Chérie, Du Perle, Du Süße

Ich nahm sie still hin, Deine Geistesscherben,

Und tat so, als müßten wir heute noch sterben.

Ich nahm Dich, wie man das Leben halt nimmt:

Nicht immer heiter, aber bestimmt.

Als ich aus dem Schlaf erwachte,

Erkannte ich, wie ich die Nacht verbrachte.

Ich spürte bald, wie die Gedanken kamen

Und suchte schon krampfhaft nach Deinem Namen.

Am Bettenrand grüßten mich leere Flaschen,

Zigarettenschachteln und Duplo zum Naschen.

Die Nacht hatte uns miteinander verbunden,

Die Hirne erlöst in den Überstunden,

Ich ahnte den Korb und bekam einen vollen-

In Rotwein begannen wir selig das Tollen.

Im Hirn klingen Villeroy noch und Boch,

Damenklo und ein weher Kopf.

Du warst wie ein Staudamm, Du hast mich gebremst-

Und fließen lassen- daß Du Dich nicht schämst.

Na, und dann lief ich über und wieder und wieder,

Sang ich unter vielen das Lied meiner Lieder.

Ich war wie ein Klang und Du mein Gesang,

Ich war wie ein Vogel und Du meine Flügel,

Du warst wie ein Pferd, und ganz ohne Zügel,

Ritt ich auf Dir- wie’s so gehen kann-

Aus der dunklen Nacht in den Sonnenaufgang.

Dann hatt´ ich geschlafen und war aus der Nacht

Mit ersten Gedanken zum Mittag erwacht.

Und wie die ersten Gedanken mir kamen,

Da sah ich Dich liegen, die Frau ohne Namen.

So nackt und so weich – Gottes schönstes Erbarmen.

So ließ ich Dich liegen

So stand ich vom Bett,

Warf mich in die Kleider

Und ging drauf dann weg.

Ich ließ mich vernaschen,

Ganz leicht, ohne Arg.

Vernaschen, Du ahnst nicht,

Wie sehr ich Dich mag.

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