Band 1 – 1.6 – Der Schlaf des Kaisers

Der Schlaf des Kaisers

Jetzt kam ich g’rad nach Haus‘;

Was mach‘ ich nun daraus?

Vor fünf Minuten, ungelogen,

Hab ich die Tür mit einem leichten Ruck

Erlöst hinter mir zugezogen.

Den ganzen Tag hab‘ ich mich krumm gebogen,

Hab‘ ich gearbeitet, gezetert,

Und -wenn ich mußte- auch gelogen.

Bin gelaufen, hab‘ Stück an Stück gemetert,

Und hab mich bei all dem total geschafft,

Jetzt sitz‘ ich hier, ganz abgeschlafft,

So wie ein Hering

Dem ich stets hinterher ging,

So, als gäb’s was zu gewinnen,

So als hätte ich Hunger nach Fisch

Und wär‘ eine Robbe,

So fühlte ich mich.-

Ja, tu‘ ich denn spinnen?

Bin ich völlig von Sinnen?

Ist mein Kopf noch ganz klar?

War ich gestern schon da?

Oder kam ich erst heute auf die Welt,

Als Schelm, dem nun sein Leben nicht gefällt?

Was tu‘ ich hier rackern und zackern,

Ein wirres Feld, so als wärs immer Herbst

Als wär ich selbst ein Traktor – nur beackern?

Bin ich denn nur noch Opfer

Und klopfe wie der Hase Klopfer

Mir selbst nur immer auf den Hintern,

Statt einmal wie ein Murmeltier

In Ruh‘ zu überwintern?

Ist denn mein ganzes Leben

Nichts mehr als ein Erdbeben?

Muß ich mich denn ständig rütteln und schütteln,

Als wär ich ein Bäumchen mit Früchten dran,

Und’s käm‘ jemand und macht sich an mich ran?

Will mich denn keiner mehr betütteln?

Hab ich denn nur noch Beulen

Vom vielen Rankeulen?

Und wo sind meine Säulen?

Ich war doch einst ein Kaiser!

Ich war immer bereit

Und hatte viel Zeit,

Kurz: Ich war wie ein Weiser.

Und heute?

Cäsar: Wo ist dein Palast?

Ist dein Ruhm denn ganz verblaßt?

Wo ist dein Lorbeerkranz?

Wo ist dein Liebestanz?

Und wo sind deine Kohorten,

Die da standen allerorten,

Um an deinen glorreichen Tagen

Die Feinde in die Flucht zu schlagen?

Wo ist dein bellum, dein gallicum

Ist denn all das aus und rum?

Ist denn nirgendwo mehr Krieg?

Ist jetzt überall schon Sieg?

Ich glaub, s’ist soviel Fried geboren,

Daß ich mich beinah‘ selbst verloren.

Ist die Schlacht also aus?

Geh’n jetzt alle nach Haus?

Kann ich denn nicht mal diesen

Einen gold’nen Ring,

Der hier, an diesem abgeschlag’nen Arm,

So unbehütet überhing,

Als Trophäe mir nehmen,

Um mich nicht zu schämen? –

So heimzukehren,

Mit Händen, mit leeren?

Das Feld ist leer,

Zerstreut das Heer.

Jetzt versteh‘ ich, was ich hört‘ als Kinde:

Alles zerstreut sich stets in tausend Winde –

Und kehrt nicht wieder.

D’rum bin ich heute Untermieter

Und nicht mehr Kaiser

Und trete leiser.

Aus meinen Sandalen sind Puschen geworden,

Jetzt befehl‘ ich mir selbst

Und keinen Kohorten.

Doch eins hab‘ ich noch,

Was ich früher schon hatte,

Ich leg‘, wenn ich heimkomm‘,

Mich müd‘ auf die Matte.

Dann schlaf‘ ich ein und schlafe tief,

So wie ich einst als Kaiser schlief

Dann ruh‘ ich mich ab und nickere ein,

Dann bin ich ein Niemand und find‘ es noch fein.

Am Ende bleibt eben doch alles beim Alten,

Auch nach dem alten Krieg, dem kalten,

Am Ende des Tages die gleichen Gewalten,

Mit anderen Köpfen die gleichen Gestalten,

Der gleiche Ärger, das gleiche Gezeter,

D’rum muß ich jetzt ruh’n

Und vertag‘ mich auf später.

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