Band 1 – 1.8 – Walpurgisnacht

Walpurgisnacht

Es ist manchmal ganz verhext:

Der Tag, der schon zum Morgen lächelt,

Schon wenn es hell wird,

Frischen Atem in mich fächelt,

Verwandelt sich –

Wie durch des Zauberers Gewalten-

In Höllenfeuer – und auch bald

In Spukgestalten.

Am Abend packt er zu und wacht

Sich durch in die Walpurgisnacht.

Man möchte mit dem Faust hineinfahren;

Aber der war schon schneller.

Man schenkt sich ein und trinkt ’nen Klaren,

Doch das Licht wird nicht heller.

Dann beginnt man-

Weil man anders halt nicht kann-

Mit Teufeln und Hexen zu tanzen,

Blut und Galle zu trinken,

In kotigen Bechern mit madigen Wanzen.

Volltrunken von Ungeziefer

Kaut der ganze Unterkiefer

Auf der harten Schlake

Einer Keller-Kakalake.

Zum Hochzeitstanz mit femme fatale

Wirkt eine unbegrenzte Zahl

Von Feuerfiguren

Und tanzenden Huren,

Aphroditen mit Augen wie Blutorangen,

Weingöttinnen, die in Traubenmatsch plantschen.

Eisige Leiber mit Killergebissen,

Die tausendmal saugen,

Um einmal zu küssen.

Und über dem Fest schweben Schauerwolken,

Und d’ran hängen Kühe, die werden gemolken-

Von kleinen Teufeln mit schwarzen Händen;

Dann regnet es Milch

An Ecken und Enden.

So schaudert der Ballsaal die ganze Nacht,

Unter freiem Himmel tanzt es und lacht,

Es hurzt und schlurzt,

Es furzt und murzt,

Man hechelt und fechelt,

Betrügt sich und lächelt.

Es saust und es graust

Und es laust auch und zaust.

Das ganze Fest scheint wie ein Gegenteil,

Gar wie ein Anti-Spiegelbild von mir.

Auf meinen Zähnen wachsen Haare, fest wie Seil;

Ich denk‘ ich seh‘ ein Tier,

Und wie mit einem Beil

Trenn‘ ich mich selbst in meinen zweiten Teil.

Wer küßt mich wach?

Ich denke ich träume.

Was waren das für sonderbare Räume?

Was war’s? War’s wirklich nur ein Traum?

Die ganzen wirklichen Gestalten?

Die Fieberperlen auf der Stirne glaub‘ ich kaum.

Es war doch zerberstend, entsetzlich und schön;

Ich hab‘ mich selbst – ganz unbestritten-

In einer andern Welt geseh’n.

Doch konnt‘ ich nicht bremsen

Und glitt ins Erwachen.

Ich wollt‘ es noch stoppen,

Doch nichts war zu machen.

Vielleicht aber mag’s auch ganz anders sein,

Und alles erlebt sich selbst stets im Schein.

Vielleicht bin ich ja jetzt erst das richtige Schaf,

Und wie ich erwache, sink‘ ich in den Schlaf.

Vielleicht laß‘ ich ja aus beiden Welten

Immer nur die eine gelten.

So bin ich selbst mir Traum,

Ein diamanten glitzernder

Und funkelnd heller Schaum,

Und in den Köpfen tausender von Kerlen

Platze ich auf in unzählbare Perlen.

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