Band 1 – 2.1 – Hoch oben, wo die Geister toben

Hoch oben, wo die Geister toben

Ich schreite und breite,

So ganz nebenläufig

Und dennoch recht häufig,

Die Flügel zum Fliegen weit aus;

So komm‘ ich häufig aus dem Haus.

Denn irgenwie muß man halt raus,

Will man nur nicht versauern

Und sich in Steinen,

Mit angewachsenen Beinen

Im Boden vermauern.

Also heb‘ ich nun ab,

Drum kein Papperlapapp,

Kein Schlabbeldibabb

Und weg und Zapp.

Was hab‘ ich da von meinem Nebenmann,

Der g’rad im Winkel 90 Grad

Von oben zu mir runter kam,

So beiläufig vernommen:

Ich sei schon wieder angekommen?

Weiß der denn auch, wohin ich wollte?

Schüttelt der für mich die Federn

Und heißt am Ende Witwe Bolte?

Doch trotzdem ist es so:

Ich bin jetzt im Büro;

Ein mindergut geputztes Klo

Und mein Kollege Immerfroh

Erinnern mich daran,

Daß ich hier g’rad vorüber kam.

Ich sitze bald auch schon

Und erblicke

Vor mir, wie Fallbeile und Stricke,

Ein Hörer und ein Telefon.

Ich setze mich und warte

Heimlich auf eine Handgranate,

Die mal einschlagen könnte

Und alles zerstör’n,

Die mal reindonnern könnte

Um mit all dem aufzuhör’n.

Ein Feuerchen, das fänd‘ ich jetzt fein,

Ich wünscht‘, es gäbe eine Explosion,

Die fegte alles rein

Und begrübe unter sich,

Die Mauern hier aus Stein und Ton

Mit samt meinem Telefon,

Mit den Akten, den beknackten,

Mit den Tischen,

Mit den ewig im Kreis drehenden,

Mit großen Augen mich anflehenden

Goldfischen,

Mit den kalten Neonröhren,

Die am Tag ja doch nur stören,

Mit den Schlipsen der Kollegen,

Timeplanern und Nervensägen,

All dies alles wünschte ich

Flöge plötzlich über mich.

Das wäre ein Glück ohne Maß,

Das wär‘ ein übervolles Faß

Mit altem Burgunder,

Das machte mich munter.

Das wäre mehr als alles, was ich dachte,

Das wär das volle Sparschwein,

Das ich schlachte.

Ohne Komma, ohne Frage,

Wäre dies, wie ich’s hier sage

Schluß und Ende meiner Klage;

Sicher bin ich gar, es wäre

Ganz das Ende meiner Schwere.

Es hieße, die Schranken besiegen,

Wäre Loslassen und Fliegen,

Und ruhig heim in meine Himmel

Stieg ich auf aus dem Getümmel,

Wie ein Adler, weit die Schwingen

Würd‘ ich jubiliern und singen.

Ein Schrei nur, und der Berg erbebe,

Ein Triumphieren und ich schwebe,

Und hab‘ weit hinter mir gelassen

All die Leblosen und Blassen,

Die Reichen und die Leichen,

Die Zerstörten,

Die Unerhörten,

Die Dummen,

Die, die immer brummen,

Die zu Braven,

Die Wächter mit ihren Schafen,

Die Schlaffen

Und alle die Affen.

Ach, doch nichts ist passiert.

Ich hab‘ all dies,

Als ob ich heiße Luft

Selig aus meiner Lunge blies,

Nur imaginiert.

Ich hab‘ sie mir nur vorgestellt,

Die selige und heile Welt.

Alles bleibt beim Alten:

Ich muß den Hörer halten,

Muß telefonier’n

Und weiter probier’n,

Die Geschäfte hier machen,

Statt Feuer entfachen.

Doch alleine der Gedanke

Bricht in mir schon manche Schranke;

Die gräßlichste Vorstellung

Dient mir hier noch zur Erhellung,

Das schrecklichste Szenario

Macht mich einfach riesig froh.

Es ist wie eine gute Krücke,

Nach der ich hier mich heimlich bücke,

Es ist die Hilfe, die ich brauche,

Damit ich mich nicht ganz verbrauche,

Es ist, ganz außerhalb von allen,

Das, wo ich mich hinein laß‘ fallen

Und all den vielen Pupsgesichtern

Dreh‘ ich an ihren dunklen Lichtern

Die Birnen einfach aus

Und rette mich ins eig’ne Haus.

Das ist die Rettung auf die Schnelle,

Ist die Befreiung aus der Hölle,

Denn wo ich selbst der Teufel bin

Ficht nichts mich an,

Das ist der Sinn.

Wo ich selbst das Schlechte denke

Wird es gut, wie ich es lenke,

So kann ich ruhig im Hades steh’n

Und am End‘ das Licht noch seh’n,

So kann ich mich selbst verpachten,

Ohne allzu viel zu schmachten.

In mir drinnen wird es helle,

Licht werd‘ ich in jeder Zelle,

Wie ein Gott

Und doch der Teufel,

Steh‘ ich fern von allem Zweifel.

Und ich richte

Und ich dichte

Reime mich

Wie ein Fichte,

In den Himmel, weit nach oben,

Um mich gänzlich auszutoben.

Hier nur atme ich das Licht

Anders glaub‘ ich, geht es nicht.

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