Morgenzuggetümmel mit einem Lümmel
Ich sitz‘ im Morgenzug nach München, –
Es ist jetzt sechs Uhr früh –
Da kann man sich doch wünschen,
Noch einmal in den warmen Sitzen
Der Deutschen Bundesbahn
Die Nacht endgültig auszuschwitzen,
Noch faul zu sein und lahm.
Man lehnt sich zurück
Und schläft noch ein Stück,
Oder aber man liest noch ein wenig
In seinem Lieblingsbuch
Und lebt ganz ohne Streß und Fluch
Noch einmal wie ein König.
Kurzum: man genießt,
Weil alles in Geschwindigkeit,
Im Dunkeln noch zerfließt.
Das also erwart‘ ich mir
Und find‘ es auch recht prächtig,
Der Tag hält sich grad‘ noch zurück,
Bleibt noch ein Weilchen nächtig.
Doch um mich rum, das merk’ich jetzt,
Sind alle schon geschäftig.
Grad‘ neben mir, am Nebentisch,
Kurz über dem Gang,
Da sitzt einer, ein Kleiner,
Und wirklich,
Benimmt er sich ganz liederlich.
Der Mensch hält es nicht aus
Und packt um sechs Uhr früh
Seinen Laptop fröhlich aus.
Es rauscht und zirpt,
Es springt die Maus
Und schon wird fröhlich
Im- und exportiert.
Am Rattern hört man die Dateien
Sich glücklich aneinanderreihen;
So ist’s: der Mensch vergnügt sich,
Und ich, ich könnte schreien.
Jetzt kaut er sein Frühstück,
Und mit offenem Mund
Erklärt er seiner Nachbarin
Sein Lieblingsglück
Zur selben Sekund‘.
Mit Hemd und Krawatte
Hängt das Tier
In seiner Liegesesselmatte
Und kaut und baut
In seinen Fenstern
Am Computerhaus
Und will gar nicht mehr raus.
Kurzum: er ist wie eine Laus,
Die sich festgezwackt hat,
Eine Bazille,
Die den Virus aus ihrem Computer
In ihr Gehirn gleich mitgenommen hat;
Ein Störenfried
Und ein Dieb.
Jawohl ein Dieb!
Und zwar meiner Ruhe,
Und unter dem Tisch,
Da streckt sie die Schuhe
Wie Walflossen aus,
Die klebrige Laus.
Er ist wie eine Biene
Und sammelt schon um sechs Uhr früh
Nektar, hier auf der Schiene.
Es piept und kraxt,
Es zirpst und faxt,
Und mit jedem Kilometer
Wird es lauter hier und später.
Ich ahn‘ schon, was passiert:
Der Kerl hat mich bald infiziert,
Und wie eine Spritze
Sticht es mich jetzt heraus
Aus meinem Sitze.
So,als sei dieses Tier eine Injektion
Renn‘ ich im Zug ans Telefon.
Doch statt geschäftig mich zu quälen,
Beschließe ich in letzter Not
Den Himmel anzuwählen.
Petrus, dieser alte Herr,
Wundert sich am Gegenhörer sehr:
„Was rufst Du an, in aller Welt,
Um sechs Uhr früh im Sternenzelt?
Es ist noch Nacht, ich schlief gerade noch
Und hatt‘ auch nichts bestellt.
Und jetzt, nur wegen Dir,
Bin ich hier viel zu früh erwacht.
Ja, was, um Himmelswillen
Hat Dich denn so früh aufgebracht?“
Da haben wir’s, der Nebenlümmel,
Entzweit mich auch noch mit dem Himmel.
Mir rauscht’s durch alle Glieder.
Petrus, sag ich, leg‘ Dich nochmal nieder.
Du hast ja recht:
Die Nacht ist noch echt.
Was kümmern uns die andern,
Die schon in voller Nacht
den Morgenzug durchwandern?
Was kümmern uns die Heftigen,
Die Schnellen und Geschäftigen?
Wir fangen’s nochmal an,
Das Zählen mit den Schafen,
Nur Du und ich,
Und tun das einzig Klare,
Das sternensäuselnd Wahre
Und legen uns jetzt schlafen.