Band 1 – 2.2. – Morgenzuggetümmel mit einem Lümmel

Morgenzuggetümmel mit einem Lümmel

Ich sitz‘ im Morgenzug nach München, –

Es ist jetzt sechs Uhr früh –

Da kann man sich doch wünschen,

Noch einmal in den warmen Sitzen

Der Deutschen Bundesbahn

Die Nacht endgültig auszuschwitzen,

Noch faul zu sein und lahm.

Man lehnt sich zurück

Und schläft noch ein Stück,

Oder aber man liest noch ein wenig

In seinem Lieblingsbuch

Und lebt ganz ohne Streß und Fluch

Noch einmal wie ein König.

Kurzum: man genießt,

Weil alles in Geschwindigkeit,

Im Dunkeln noch zerfließt.

Das also erwart‘ ich mir

Und find‘ es auch recht prächtig,

Der Tag hält sich grad‘ noch zurück,

Bleibt noch ein Weilchen nächtig.

Doch um mich rum, das merk’ich jetzt,

Sind alle schon geschäftig.

Grad‘ neben mir, am Nebentisch,

Kurz über dem Gang,

Da sitzt einer, ein Kleiner,

Und wirklich,

Benimmt er sich ganz liederlich.

Der Mensch hält es nicht aus

Und packt um sechs Uhr früh

Seinen Laptop fröhlich aus.

Es rauscht und zirpt,

Es springt die Maus

Und schon wird fröhlich

Im- und exportiert.

Am Rattern hört man die Dateien

Sich glücklich aneinanderreihen;

So ist’s: der Mensch vergnügt sich,

Und ich, ich könnte schreien.

Jetzt kaut er sein Frühstück,

Und mit offenem Mund

Erklärt er seiner Nachbarin

Sein Lieblingsglück

Zur selben Sekund‘.

Mit Hemd und Krawatte

Hängt das Tier

In seiner Liegesesselmatte

Und kaut und baut

In seinen Fenstern

Am Computerhaus

Und will gar nicht mehr raus.

Kurzum: er ist wie eine Laus,

Die sich festgezwackt hat,

Eine Bazille,

Die den Virus aus ihrem Computer

In ihr Gehirn gleich mitgenommen hat;

Ein Störenfried

Und ein Dieb.

Jawohl ein Dieb!

Und zwar meiner Ruhe,

Und unter dem Tisch,

Da streckt sie die Schuhe

Wie Walflossen aus,

Die klebrige Laus.

Er ist wie eine Biene

Und sammelt schon um sechs Uhr früh

Nektar, hier auf der Schiene.

Es piept und kraxt,

Es zirpst und faxt,

Und mit jedem Kilometer

Wird es lauter hier und später.

Ich ahn‘ schon, was passiert:

Der Kerl hat mich bald infiziert,

Und wie eine Spritze

Sticht es mich jetzt heraus

Aus meinem Sitze.

So,als sei dieses Tier eine Injektion

Renn‘ ich im Zug ans Telefon.

Doch statt geschäftig mich zu quälen,

Beschließe ich in letzter Not

Den Himmel anzuwählen.

Petrus, dieser alte Herr,

Wundert sich am Gegenhörer sehr:

„Was rufst Du an, in aller Welt,

Um sechs Uhr früh im Sternenzelt?

Es ist noch Nacht, ich schlief gerade noch

Und hatt‘ auch nichts bestellt.

Und jetzt, nur wegen Dir,

Bin ich hier viel zu früh erwacht.

Ja, was, um Himmelswillen

Hat Dich denn so früh aufgebracht?“

Da haben wir’s, der Nebenlümmel,

Entzweit mich auch noch mit dem Himmel.

Mir rauscht’s durch alle Glieder.

Petrus, sag ich, leg‘ Dich nochmal nieder.

Du hast ja recht:

Die Nacht ist noch echt.

Was kümmern uns die andern,

Die schon in voller Nacht

den Morgenzug durchwandern?

Was kümmern uns die Heftigen,

Die Schnellen und Geschäftigen?

Wir fangen’s nochmal an,

Das Zählen mit den Schafen,

Nur Du und ich,

Und tun das einzig Klare,

Das sternensäuselnd Wahre

Und legen uns jetzt schlafen.

Kommentieren