Band 1 – 3.8. – Heimflug

Heimflug

 

Angst, die alte schwere Kraft,

Hatte mich hinfort gerafft,

Als ich neulich erst im Flieger

Wie ein Holländer entflog.

Hatt‘ ich doch zuvor entschieden

Die Furcht vor’m Schweben und vor’m Fliegen

Mit dem Stumpf mir auszuflachen,

Keine Dinger mehr zu machen,

Kurz: die Ruhe zu bewahren

zwischen all den Engelschaaren,

Zwischen Luft und Haut und Haaren,

Zwischen flachen Alpentälern

Und dem tiefen Blau dort oben,

Zwischen Gott und den Mikroben.

Als die Startbahn schließlich kam,

Hatte ich mir vorgenommen

Nichts würde mich überkommen

Und saß friedlich wie ein Lamm

Neben meinem Nebenmann;

War bemüht tief in Entspannung,

Von Tabletten schon benommen,

Sperrt‘ mich selbst in die Verbannung,

Als wär ich gar nicht mitgekommen

Und würde mich schon jetzt gleich wieder

In der Heimat glücklich sonnen.

Doch mein Körperchen dagegen

Spitzte gegen mich den Degen,

Piesackte mich stets und stach

Wie ein Biest und Klatabuster,

Wie ein buntgeschecktes Muster,

Wie ein ausgekochter Igel,

Der die Stacheln wie ein Spiegel

Mir vor meine Nerven hielt

Schwitzte ich im Todesbild;

Sah mich selbst schon niederstürzen-

In der Todes-Schrecksekunde

Drehte ich die letzte Runde,

Ohne Fallschirm, ohne Anker,

Prallte ich mit ganzer Wucht,

So als sei die Welt verflucht,

Im Mittelmeer auf einen Tanker.

Voller Schmerzen, voller Schrammen

Ging ich auf in tausend Flammen.

So, erdacht‘ ich im Gequäle,

Übergeb‘ ich meine Seele

Schon so früh dem Sternenhimmel.

Danke Welt, du weißer Schimmel,

Hast mich ein Stück mitgenommen,

War ja doch nur Gast

Bis du ganz mich wieder hast.

Das war der Streich der Imagination,

Denn Sie ahnen’s sicher schon:

Wie ich hier so friedlich sitze,

Floh ich vor der großen Hitze,

Landete bald auf der Erde

Wie ein Floh auf einem Pferde,

Vollig sanft und schäfchenweich

Kehrt ich wieder in mein Reich.

Doch das Komische kam jetzt,

Als ich mich schon abgehetzt:

War ich nicht sicher auf der Erde,

Fern von jeglicher Gefahr,

Als mir folgendes geschah?

Als ich heimkam voller Freude,

Mich auf meine Wohnung freute,

Öffnet‘ glücklich ich die Tür

Endlich wieder hier bei mir.

Doch als ich dann die Treppe nahm,

Weil ein Bedürfnis mich ankam,

Stürzte ich die Treppe nieder

Wie ein Flitzedüsenflieger,

Wie ein Pfeil von einem Bogen

Wurde ich mit ganzer Wucht

Den ganzen Weg hinabgezogen,

Hatt‘ ein Messer in der Tasche,

Das durch diese durch sich brach

Und mir in die Hand dann stach.

Damit aber nicht genug,

Dies war nicht der letzte Zug,

Der mich heute überfuhr,

Denn ich sag’s, wie ich hier bin:

Gestern war der Teufel drin-

Hatte mich an meiner Seele,

Daß ich mich nur recht schön quäle.

Eine Viertelstunde später

Rauscht‘ ich nochmals durch den Äther,

Stürzte auf der gleichen Treppe,

So als ging’s hier um die Wette

Wie ein Stolperstein hinab

Und kam nahe an mein Grab.

Jetzt ist mein Zeh zum Blitzen blau,

Mein Unterarm schmerzt wie die Sau,

Mein Rücken steif,

Fast wie gebrochen,

Streck‘ ich wie ein Röchelrochen

Jetzt in meinem Bett die Viere,

Und es schmerzt mir meine Niere.

Kurz, ich bin jetzt ganz zerdetscht,

Habe auch die Milz gequetscht,

Und was von mir nun noch am Leben,

Können Sie den Hunden geben.

Ich bin am Ende aller Dinge,

Wenn ich nicht beständig singe,

Weil der Ton in seiner Kraft

Mir das Leben wieder schafft.

Ich hatte heute Angst vor’m Fliegen,

Vom Himmel abzufallen

Wie ein Apfel hoch vom Baum,

So viel Angst, man glaubt es kaum.

Dann flog ich noch zweimal

Hinab zu meinen Füßen

Und mußte töricht dafür büßen.

Nun ist mir alles klar:

Die Furcht ist eine Fanta Morgana

Und ich der letzte Mohikaner.

So völlig unnütz ist das Ding,

Daß mir’s im Hirn noch überhing

Und stürzte mich, schwach wie ein Depp,

Den Flur hinab und dann die Trepp‘.

Jetzt hab ich alles ausgerissen,

Das letzte Unkraut ist zerschlissen,

Und Furcht ist falsch!

Das sollt ihr wissen.

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