Band 2 – 1.7 – Ein deutscher Regentag

Ein deutscher Regentag

Es ist doch ungeheuerlich,

Wie sehr man hier das Leben lieben muß,

Um nicht bei jedem Regenguß

In eine neue Depression-

Ein guter Bürger kennt sie schon-

So wie die Schwalben aus den Nestern

Und wie das Heute aus dem Gestern,

Beim Aufstehen hereinzufallen.

Ja, es ist sogar so,

Daß schon Jean Claude Cousteau

Nur Wasserforscher werden konnte,

Weil er niemals ein Deutscher war

Und auch in Deutschland niemals wohnte.

Hät’t man ihn hier groß gezogen,

Er hätte es leicht vorgezogen,

Das Wasser überall zu flieh’n

Und folglich von hier fort zu zieh’n.

Denn eine Deutsche Regenwelle

Ist wie die Niagarafälle,

Ja schlimmer noch und flächendeckend

Und immer wieder schwer erschreckend.

Steigt man ins Auto, ist gleich sicher:

Nichts geht heut‘ ohne Scheibenwischer;

Die ganze Kiste ist beschlagen,

Und Regentropfen noch im Kragen,

Bewegt man sich im Tagesleid,

So wie ein Wurm zur Arbeit heut‘.

Man fühlt sich gleich wie ein Hydrant

Und ist auf’s Äußerste gespannt-

Die gute Laune ist bekannt.

Man fängt lachend einen Bindfaden auf,

Den es sonst auf den Boden geregnet hätte,

Man hört’s beim Aufsteh’n schon im Bette:

Ans Fenster klopft ein Wassersegen,

Ein deutscher wetterfester Regen,

Ein nasser krasser Eimer

deutsches Wasser

Bricht vom Himmel wie ein Lümmel.

Und im feuchten Frühgetümmel,

Beginnt ein deutscher Sommertag,

Wie man ihn kennt und allseits mag.

Man ist bereit, es hinzunehmen,

Sich für das Wetter mitzuschämen,

Und allbekannte Naseweise,

Verlosen jetzt im Radio schon,

Um Sieben in der Früh,

Aus ihrem Morgenmikrofon,

Eine heiße Sommerreise.

Jetzt fühle ich mich spätestens

Vom Leben wie ein Schornsteinfeger,

Oder wie ein Schürzenjäger

Ohne Rosen

Und mit Dornen in den Hosen,

So wie ein Feuerchen verkohlt,

So wie bestellt

Und später dann nicht abgeholt.

Ich fühl‘ mich wie die Regenrinne

Wenn ich so aus dem Fenster sinne.

Wie Wasser fließen die Gedanken

In südliche Gefilde,

Und sie wanken.

Ich habe Sehnsucht und denke an Flucht.

Doch niemals kommt man von hier weg,

Denn Deutschland ist wie Alcatraz,

Ein Inselchen, regiert im Haß,

Und hier regiert,

Weil man so gern gradaus marschiert,

Noch immer gern ein deutscher Michel

Mit einer Gütesiegel-Sichel,

Und schneidet die Gedanken ab,

Auf dem Kopf seine Regenkapp,

Und es regnet-

Gott sei gesegnet.

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