Lieber tot als gar kein Brot
Ich hab‘ mich heute selbst beschlossen,
Überlistet und erschossen.
Ich kannte mich schon längst nicht mehr,
Und drum war es auch gar nicht schwer,
Mir selbst die Kugel anzulegen
Und abzudrücken,
Um im Regen
Von Blut und überraschten Knochen
Ein neues Süppchen mir zu kochen.
Ich muß schon sagen, ich war fröhlich,
Überaus friedlich, fast schon selig,
Als ich mich nach dem Todesstand
Dann bei mir selber wiederfand.
Zuvor hatt‘ ich nach vielen Runden
Des Suchens mich nicht mehr gefunden.
Ich war mir einfach selbst zu wenig
Und einsamer noch als ein König,
Kannt‘ weder noch mehr meinen Namen,
Noch weniger den meiner Ahnen
Und war mir selbst ein Synonym
Für Nicht vorhanden anonym.
Doch in der ganzen Herrlichkeit,
Daß keiner mich mehr kennt,
Lag weit und weiter auch nicht,
Auch nicht breit,
Kein Gegenwert und kein Gescheit,
Kein Anker und kein Rettungsring
Und auch sonst gar nichts, was mich fing.
Da fiel mir auf, ich war schon tot,
Ernährte mich von trock’nem Brot
Und fand im letzten meiner Seele
Nichtmal den Rest einer Garnele,
Geschweige denn ’nen Leckebissen,
Kaviar; Lachs und ein Gewissen.
Nicht einmal fand ich mehr Gemüse,
Tomaten nicht und auch die Füße
Standen mir nicht mehr auf dem Boden,
Sondern senkrecht auf wie Pfoten.
Ein leeres Tier war ich geworden,
Ein Dosentier in allen Sorten,
Fütterfertig kleingehackt,
Abgefüllt und eingepackt.
Da stand ich in der Dosenhülle
Meiner eigentlichen Fülle
Und wußte weder aus noch ein,
Drum schoß ich mir zunächst ins Bein
Von oben in die Seite rein.
Doch war ich stets noch allzu tot,
Als daß sich mir die Wendung bot.
Und so beschloß ich, mich zu töten,
Versucht es zuvor noch mit Beten-
Und merkte ich bald:
Gott hilft Dir nicht,
Wenn du ihn forderst,
Drum sei schlicht.
Ich lag zum Sterben schließlich nieder,
Zum letzten Mal fühlt‘ ich die Glieder,
Die an mir in schweren Ringen
Wie alter Balast überhingen.
Lag Wie ein Teppich ausgebreitet,
Mental und seelisch vorbereitet,
Zur letzten Stund‘ ein letztes Mal
In meiner ungeheuren Qual.
Dann nahm den Colt ich an die Stirn
Und zielte auf mein leeres Hirn.
Dann drückt‘ ich ab und fiel zur Stund‘
erschossen nieder wie ein Hund.
Ich war so leer wie ein Tonne
Und lag in einer Art von Wonne
Und einer fernen and’ren Welt,
Umhüllt von einem Sternenzelt.
Ich sah die Nymphen und die Feen,
Hab Engel und fast Gott gesehn.
Ich sah das Licht in seinen Wellen,
Sah Flüsse und leuchtende Quellen.
Ich sah die ganze Seligkeit
Und Friede ward mir weit und breit.
In einer ungheueren Stille
Kommunizierte sich die Fülle.
In einer klaren Sternenbahn
Verlief sich alles und kam an.
Und ich war tot und doch lebendig
War harmonisch warm und wendig
Und war wie eine Melodie,
Die sich an sich selbst verlieh.
Ich dachte nichts und war doch klar,
Die Lösung lag wie ein Altar
In bunten Farben ausgebreitet,
Und all mein Wesen war begleitet
Von einer gold’nen Flut des Zarten,
War Selbstgenügen ohne Warten.
Wir werden, wenn wir sterben, wie die Kinder
Und ziehen aus dem Hut einen Zylinder
Und zaubern, weil wir anders gar nicht können,
Aus nichts uns eine Welt,
Die wir nicht nennen.
Wir sind uns selbst genug und leben wieder,
Ein Blutstrom fließt durch all‘ unsere Glieder.
Und es begleitet uns,
man weiß nicht wie er heißt,
Ein lächelnder, beschützend guter Geist.
Der irgendwann sich tötet und vergreist.
Drum muß man sich beizeiten schon erschießen,
Um sich darauf nur mehr noch zu genießen.
Dann kommt er wieder, flüstert seinen Namen,
Und sagt uns dann auch,
Woher wir mal kamen,
Der Geist, der uns hier alle speist
War mit sich selbst nur grade mal verreist,
Und wie die Kinder zieht er leise
Stille seine weisen Kreise.