Kontemplativ geht meistens schief
Als ich heute früh erwachte
Dacht‘ ich mir, mach lieber sachte,
Spüre Dich im Morgengrauen,
Kämme Deine Augenbrauen,
Atme, spüre Deinen Körper,
Prüfe Deinen Geistverstärker,
Und erprüfe die Erhaltung
Deiner Art in der Entfaltung.
Atme ein, dann wieder aus,
Laß das Telefon noch aus,
Vielmehr denk‘ an Deine Mitte
Und an das verflixte dritte
Licht in Dir, Dein Drittes Auge,
Daß Dir’s wie dem Adler tauge,
Sehe weit und sehe tief,
Sei einfach mal kontemplativ.
Gesagt getan, ich mach den Test
Und vergeß‘ den ganzen Rest,
Um fern aller Banalitäten
Aus mir heraus ins All zu beten.
Doch ins Zimmer dringt ein Wind
Durch’s Fenster kalt, der sich verspinnt,
Und in einer wilden Hose
Durchbricht er die Metamorphose.
Außerdem ist mir mein Geist
Irgendwohin grad verreist
Und findet sich in mir nicht wieder,
Und was ich spüre, sind die Glieder.
Meinem Körper Untertan
Fang‘ ich nochmal von vorne an.
Doch wie ein wildes Wütetier
Bin ich Meilen weg von mir.
Mein drittes Auge sucht die Mitte
Vom Hinterhirn zur Körpermitte,
Zudem tönt jetzt ein Mikrofon
Ins Wollen der Konzentration
Mein Nachbar ist grad‘ aufgestanden,
Das ganze Haus dröhnt voll der Schanden
Nach Morgenradio und Leben,
Doch ich bleib‘ meinem Wunsch ergeben.
Gebannt versuch‘ ich, mich zu lenken
Und einfach mal an nichts zu denken.
Wenn ich auch nur genügend schwitz‘,
So denk‘ ich mir, dann kommt der Blitz.
Doch wie in einem wirren Fieber
Knarrt in mir drin ein Rechenschieber,
Der bringt mir Zahlen in den Kopf,
Wünsche, einen losen Knopf,
Die Einkäufe, dreckige Wäsche,
Den letzten Gruß einer Depesche,
Das Brot, das schon im Kasten schimmelt,
Eine Klingel, die nicht bimmelt,
Ein Buch, das ich noch lesen sollte
Und tausend Dinge, die ich wollte.
Schwitzend such‘ ich mein drittes Auge
Beim Denken an die Gartenlaube,
In der ich eine langvermißte
Freundin mal vor Jahren küßte.
Wie ich mich auch bemüh‘ das Denken
Von mir selber abzulenken:
Immer kommt’s zu mir zurück
Und ich werde schier verrückt.
Schließlich steh‘ ich im Morgenfluch
Kurz vor dem Zusammenbruch.
So laß‘ ich in mich selbst mich fallen,
Denk‘ mir egal und zieh‘ die Krallen
Entkräftet leise wieder ein
Und gestehe mir die Pein.
Doch während ich g’rade noch schwitz‘,
Fährt durch mich ein Himmelsblitz,
Und ich komm‘ am Ende drauf:
Die Tür geht ja nach innen auf.
Was ich suche, war schon da,
Nur war ich mir selbst nicht klar.
Nun ist alles wieder bene,
Und ich fletsch‘ nicht mehr die Zähne,
Bin entspannt und ganz relaxt,
All mein Leben ist verhext
Und wie die tausend Engelein
Stimm‘ ich in den Chor mit ein,
Suche nichts, laß‘ mich nur finden
Und flieg‘ ansonsten mit den Winden;
Warte, bis ich wiederkomme
Im Strahlen einer hellen Sonne
Und gebäre meine Wonne
lebendig, froh, kontemplativ-
Denn alles and’re geht eh‘ schief.