Band 2 – 2.3 – Kontemplativ geht meistens schief

Kontemplativ geht meistens schief

Als ich heute früh erwachte

Dacht‘ ich mir, mach lieber sachte,

Spüre Dich im Morgengrauen,

Kämme Deine Augenbrauen,

Atme, spüre Deinen Körper,

Prüfe Deinen Geistverstärker,

Und erprüfe die Erhaltung

Deiner Art in der Entfaltung.

Atme ein, dann wieder aus,

Laß das Telefon noch aus,

Vielmehr denk‘ an Deine Mitte

Und an das verflixte dritte

Licht in Dir, Dein Drittes Auge,

Daß Dir’s wie dem Adler tauge,

Sehe weit und sehe tief,

Sei einfach mal kontemplativ.

Gesagt getan, ich mach den Test

Und vergeß‘ den ganzen Rest,

Um fern aller Banalitäten

Aus mir heraus ins All zu beten.

Doch ins Zimmer dringt ein Wind

Durch’s Fenster kalt, der sich verspinnt,

Und in einer wilden Hose

Durchbricht er die Metamorphose.

Außerdem ist mir mein Geist

Irgendwohin grad verreist

Und findet sich in mir nicht wieder,

Und was ich spüre, sind die Glieder.

Meinem Körper Untertan

Fang‘ ich nochmal von vorne an.

Doch wie ein wildes Wütetier

Bin ich Meilen weg von mir.

Mein drittes Auge sucht die Mitte

Vom Hinterhirn zur Körpermitte,

Zudem tönt jetzt ein Mikrofon

Ins Wollen der Konzentration

Mein Nachbar ist grad‘ aufgestanden,

Das ganze Haus dröhnt voll der Schanden

Nach Morgenradio und Leben,

Doch ich bleib‘ meinem Wunsch ergeben.

Gebannt versuch‘ ich, mich zu lenken

Und einfach mal an nichts zu denken.

Wenn ich auch nur genügend schwitz‘,

So denk‘ ich mir, dann kommt der Blitz.

Doch wie in einem wirren Fieber

Knarrt in mir drin ein Rechenschieber,

Der bringt mir Zahlen in den Kopf,

Wünsche, einen losen Knopf,

Die Einkäufe, dreckige Wäsche,

Den letzten Gruß einer Depesche,

Das Brot, das schon im Kasten schimmelt,

Eine Klingel, die nicht bimmelt,

Ein Buch, das ich noch lesen sollte

Und tausend Dinge, die ich wollte.

Schwitzend such‘ ich mein drittes Auge

Beim Denken an die Gartenlaube,

In der ich eine langvermißte

Freundin mal vor Jahren küßte.

Wie ich mich auch bemüh‘ das Denken

Von mir selber abzulenken:

Immer kommt’s zu mir zurück

Und ich werde schier verrückt.

Schließlich steh‘ ich im Morgenfluch

Kurz vor dem Zusammenbruch.

So laß‘ ich in mich selbst mich fallen,

Denk‘ mir egal und zieh‘ die Krallen

Entkräftet leise wieder ein

Und gestehe mir die Pein.

Doch während ich g’rade noch schwitz‘,

Fährt durch mich ein Himmelsblitz,

Und ich komm‘ am Ende drauf:

Die Tür geht ja nach innen auf.

Was ich suche, war schon da,

Nur war ich mir selbst nicht klar.

Nun ist alles wieder bene,

Und ich fletsch‘ nicht mehr die Zähne,

Bin entspannt und ganz relaxt,

All mein Leben ist verhext

Und wie die tausend Engelein

Stimm‘ ich in den Chor mit ein,

Suche nichts, laß‘ mich nur finden

Und flieg‘ ansonsten mit den Winden;

Warte, bis ich wiederkomme

Im Strahlen einer hellen Sonne

Und gebäre meine Wonne

lebendig, froh, kontemplativ-

Denn alles and’re geht eh‘ schief.

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