Band 2 – 2.4 – Schäfchenweich

Schäfchenweich

Ich bin heut‘ morgen aufgewacht

Nach einer stillen Bergesnacht.

Acht Stunden Schlaf,

Acht Stunden brav,

Acht Stunden Wärme

Und die Nacht voller Sterne.

Im Tal lagen vereinzelt Lichter

Und leuchteten und bildeten Gesichter.

Ansonsten gab’s hier nur den Frieden

Sanftheit, Stille und ein Lieben,

Das sich vom Lift bis in den Wald hinüberzog,

So wie ein übersatter Sog.

Dennoch bin ich nun bedrückt,

Schon seit dem Aufstehn geh‘ ich ganz gebückt.

Etwas stört mich so und macht mich auch verrückt.

Ich selbst bin es,

Ich komme mit mir heut‘ nicht aus,

Ich stehe hier wie Tünnes

Und atme schwer wie eine Laus,

Die schon seit Lichtjahren

In stets demselben Pelz gehaust.

Mir ist mein Leben grad‘ zu glatt

Zu gleichmäßig und auch zu satt.

Es stört mich, daß mich nichts mehr stört,

Daß alles so dazugehört,

Daß ich mir Riten angelegt,

Die man fortan nur pflegt und pflegt.

Man weiß nicht mehr, warum man tut,

Was man so macht, doch steht es gut.

Ein jeder sagt Dir “Guten Tag”,

Gibt vor, daß er Dich wirklich mag

Und spricht zu Dir als einem Freund

Und hat doch nicht mal einen Joint.

Ich fühl‘ mich nicht mehr wief und wendig,

Bin nicht einmal mehr unanständig.

Was ich tue, hat jetzt Klasse,

Und ich ehre meine Rasse.

Mein Handeln ist jetzt überlegter,

Eingespielt und auch mein Regler

Regelt sich bald von alleine:

Stellt mich morgens auf die Beine

Und wünscht mir, weil er mich so mag,

Einen automatisch guten Tag.

Dann hab ich auch ein Mikrofon,

Das fragt mich, tat ich dies,

Und tat ich denn auch jenes schon?

Rief ich schon an heut zum Geburtstag

Des Kindes meiner Nichte ihrem Schutzpatron?

Oder hab ich’s vergessen

Und man ist nun sauer ach wie ’ne Zitron?

Sie sehen schon, es geht mir gut,

Nichts überlaß‘ ich mehr dem Zufall, was man tut.

Ich kontrollier‘ und regulier‘,

Und zirkulier‘ und steh‘ Spalier

Und werd‘ schon zum Gewohnheitstier.

Denn mehr erwart‘ ich nicht von mir,

Außer daß ich ganz außer mir

Mich auch mal wieder selbst verlier‘.

Doch wie? Ich weiß nicht,

Sitz‘ ich hier.

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