Narziß hat Morgenstund im Mund
Seit ein paar Tagen schon geht’s so,
Und langsam werd‘ ich richtig froh,
Und ärger‘ mich bisweilen nur
Wie eine viel zu lange Schnur,
Die schon ihr eig’nes eines Ende
Vor der großen weiten Wende
Nicht mehr unterscheiden konnte,
In sich selbst schon nicht mehr wohnte
Und sich einmal streng genommen
Abhanden war und fort gekommen.
Doch nach der langen Fremdheitsdauer
Einer dicken Geistesmauer
Kehre ich zu mir zurück
Und erfahre mich im Glück.
War mir mein Daseinszweck blamabel,
Find‘ ich ihn heute akzeptabel
Und manchmal sogar formidabel.
Vieles im Tun schien mir banal,
Nicht intellektuell fatal,
Ja, wie ein stinkender Kanal
Und out schon wie ein alter Schaal,
Empfand ich vieles überflüssig
Und war des Lebens überdrüssig.
Jetzt geht die Sonne wieder auf,
Die Morgenatmung bläht sich auf
Ich frohlocke und spendiere,
Jauchze auch und meditiere,
Ich bin den Sternen wieder nah
Weiß nicht mehr, wer ich gestern war,
Denke noch lange nicht an Morgen
Und übersteh‘ mich ohne Sorgen.
Mein Fell ist dick und glänzt im Scheine,
Ich bin nun wieder ganz der meine.
In meine Mitte eingerückt,
Bin ich von mir nicht schlecht entzückt.
Und weil ich ganz verwandelt bin
Entsage ich dem Eigensinn.
War ich bis heute mir nur wichtig
Erkenn‘ ich jetzt:
Es war nicht richtig.
Jetzt geh‘ ich auf die andern zu
Streichle schon einmal eine Kuh
Oder spiele mit der Tatze
Einer lieben Katerkatze.
Sie sehen ein, ich bin ein anderer
Angekommen ist der Wand’rer.
Die Ruhe ist mir eingekehrt,
Ich liege von mir selbst verehrt,
Wie Narziß am goldnen Teich
Und mein Gehirn wird langsam weich.
Ich reguliere über mich
Wie ein sich selbst drehender Fisch.
Als Nabel meiner kleinen Welt
Hab‘ ich mich in den Mittelpunkt gestellt.
Ich könnt‘ von hier die Welt erblicken,
Bräuchte mich nicht mal mehr zu bücken,
Ich säh‘ vom Kleinen bis zum Großen
Dem Volk bis auf die Unterhosen,
Ich wär den Menschen Herr und Meister,
Verteiler aller Lebensgeister,
Wäre Herr der Sieben Meere
Des sechsten Sinnes, aller Heere-
Ich führt‘ nur mit mir selbst noch Krieg
Und wäre stolz auf meinen Sieg.
Als aller Herren Überwinder
Blickte ich stolz auf meine Kinder.
Doch steh‘ ich auf dem Wonnehügel
Und seh‘ nur bis zum eignen Spiegel.
Mir ist die ganze Welt versperrt,
Weil sich das einfach nicht gehört,
Sich selbst und nichts mehr sonst zu seh’n
Und außerdem ist’s auch nicht schön
Auf Dauer mit sich selber nur
Und sonst niemandem auszugeh’n.
Schenken Sie sich selber Rosen
Und leben sie aus Aludosen,
Dann wissen Sie nach einer Weile
Von der Ewigkeit der Meile,
Die man mit sich selber geht,
Doch dann ist’s meistens schon zu spät.
Drum rate ich, sich schon zu Zeiten
Auf die ander’n einzureiten.
Schau’n Sie an einem klaren Tag
Mal weit über den Horizont
Und prüfen Sie, wer da so wohnt.
Nehmen Sie Ihr eignes Glück
Ein kleines bißchen mal zurück
Und laufen Sie ein gutes Stück
In die weite Welt hinein,
Verteilen Sie Ihr Seligsein
Und geh’n Sie auf die ander’n ein.
Und lassen Sie sie, wie sie sind,
Mit ihren Fehlern Menschen sein.
Nehmen sie sich Zeit,
Spülen Sie die Seele rein,
Atmen Sie die Sonne
Und hängen Sie sich niemandem ans Bein.
Bleiben Sie lieber mal allein
Im Sein,
Bei einem Gläschen Wein
Mit ihrem eigenen Gehirn
Und Ihrem Geist
Als wär’n Sie mit sich selbst
Für einen Augenblick verreist,
Und spüren Sie im Duft,
Bei einer guten Flasche Morgenluft,
Wie alles in sich selbst verpufft.