Band 2 – 2.6 – Zum Stand der Knoten der Nation

Zum Stand der Knoten der Nation

Man erfährt so allerhand

Wenn man sich so beliest,

Der Welt Erfahrungen genießt

Und auch aus manchem fernen Land

Besonderheiten sich erschließt.

Ein Masseur zum Beispiel aus Berlin

Liegt tagtäglich auf den Knien,

Um anderen die Muskeln gradzuzieh’n.

Dabei fühlt er in der Extase

Dem deutschen Völkchen auf die Nase.

Er legt die Finger auf die Wunden,

Für die die Deutschen sich geschunden.

In allerlei verkeilten Knoten

Erkennt der Mann die Anekdoten,

Die sich dahinter meist verbergen,

Die Geisteskrämpfe und die Scherben

Aus mancherlei privatem Leben,

Berufsangst und verkrampftem Streben.

Der gute braucht kein Telefon,

Erfühlt die Lage der Nation

Und spürt in seiner stillen Ecke

An Körpern and’rer manche Strecke.

Der Geist des Deutschen ist zu streng,

Sein Körper schlaff, sein Hemd zu eng.

Er lebt zu schnell und aus der Dose,

Wechselt nicht oft die Unterhhose

Und ist kurz: hinter den Kulissen

Als nackter Adam meist zerschlissen.

Läßt er seine Hüllen fallen,

Hört man es im Raume schallen,

Gelächter macht sich brechend Luft-

Grad ist ein deutscher Wanst verpufft

Zwar gibt es Ausnahmen doch immer,

Doch niemals war die Lage schlimmer.

Man frißt sich voll und ist voll Frust,

Technokratisch sucht man Luft,

Man ringt nach einem Atemzug

Auf einem vollen Inlandsflug

Und überprüft seinen Computer

Und spricht zu ihm:

Sei brav, mein Guter.

Man entwickelt und erforscht

Designed, verkauft, ja, und man porscht,

911 mal hin und her

Im Straßensumpf und Stadtverkehr.

Man pioniert und spekuliert,

Ejakuliert und explodiert,

Rümpft die Nase und man schimpft

Mit andern, die man damit impft.

Man springt höher, schneller, weiter,

Olympiadisch hoch die Leiter

Und sucht, bevor die Welt verpufft,

Dazwischen heimlich noch nach Luft,

Nach Natur nach Grün und Zeit,

Nach Ruhe, Nichts mehr weit und breit.

Im Urlaubsrausch beim Sonnenbaden

Spürt man ein heimliches Behagen

Und ist sich dabei doch bewußt:

Es reicht nicht aus, macht keine Lust

Und obwohl es reichlich war,

War’s reichlich kurz,

Doch Hoppala:

Hätt’s länger noch als so gedauert,

Man wär mit sich noch selbst versauert.

Das gibt nun wieder manchen Knoten

Den der Masseur dann auszuloten.

Der drückt und reibt und schiebt und zupft,

So wird so manches Huhn gerupft-

Doch es versteht die Lage nicht,

Die Schiefe und den Bösewicht.

Denn das Problem liegt tief im Kopf

Und hat einen so langen Zopf,

Daß man im Innersten der Frucht

Noch heute nach dem Kerne sucht.

Drum wird massiert und diskutiert,

Marschiert, dressiert und ausradiert,

Wird jeden Morgen sich rasiert

Wer einen Bart hat und studiert,

Wobei man heimlich Zeit verliert

Und wie ein braver Zinnsoldat

In seinem eigenen Salat

An’s End der Eieruhr marschiert.

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