Zum Stand der Knoten der Nation
Man erfährt so allerhand
Wenn man sich so beliest,
Der Welt Erfahrungen genießt
Und auch aus manchem fernen Land
Besonderheiten sich erschließt.
Ein Masseur zum Beispiel aus Berlin
Liegt tagtäglich auf den Knien,
Um anderen die Muskeln gradzuzieh’n.
Dabei fühlt er in der Extase
Dem deutschen Völkchen auf die Nase.
Er legt die Finger auf die Wunden,
Für die die Deutschen sich geschunden.
In allerlei verkeilten Knoten
Erkennt der Mann die Anekdoten,
Die sich dahinter meist verbergen,
Die Geisteskrämpfe und die Scherben
Aus mancherlei privatem Leben,
Berufsangst und verkrampftem Streben.
Der gute braucht kein Telefon,
Erfühlt die Lage der Nation
Und spürt in seiner stillen Ecke
An Körpern and’rer manche Strecke.
Der Geist des Deutschen ist zu streng,
Sein Körper schlaff, sein Hemd zu eng.
Er lebt zu schnell und aus der Dose,
Wechselt nicht oft die Unterhhose
Und ist kurz: hinter den Kulissen
Als nackter Adam meist zerschlissen.
Läßt er seine Hüllen fallen,
Hört man es im Raume schallen,
Gelächter macht sich brechend Luft-
Grad ist ein deutscher Wanst verpufft
Zwar gibt es Ausnahmen doch immer,
Doch niemals war die Lage schlimmer.
Man frißt sich voll und ist voll Frust,
Technokratisch sucht man Luft,
Man ringt nach einem Atemzug
Auf einem vollen Inlandsflug
Und überprüft seinen Computer
Und spricht zu ihm:
Sei brav, mein Guter.
Man entwickelt und erforscht
Designed, verkauft, ja, und man porscht,
911 mal hin und her
Im Straßensumpf und Stadtverkehr.
Man pioniert und spekuliert,
Ejakuliert und explodiert,
Rümpft die Nase und man schimpft
Mit andern, die man damit impft.
Man springt höher, schneller, weiter,
Olympiadisch hoch die Leiter
Und sucht, bevor die Welt verpufft,
Dazwischen heimlich noch nach Luft,
Nach Natur nach Grün und Zeit,
Nach Ruhe, Nichts mehr weit und breit.
Im Urlaubsrausch beim Sonnenbaden
Spürt man ein heimliches Behagen
Und ist sich dabei doch bewußt:
Es reicht nicht aus, macht keine Lust
Und obwohl es reichlich war,
War’s reichlich kurz,
Doch Hoppala:
Hätt’s länger noch als so gedauert,
Man wär mit sich noch selbst versauert.
Das gibt nun wieder manchen Knoten
Den der Masseur dann auszuloten.
Der drückt und reibt und schiebt und zupft,
So wird so manches Huhn gerupft-
Doch es versteht die Lage nicht,
Die Schiefe und den Bösewicht.
Denn das Problem liegt tief im Kopf
Und hat einen so langen Zopf,
Daß man im Innersten der Frucht
Noch heute nach dem Kerne sucht.
Drum wird massiert und diskutiert,
Marschiert, dressiert und ausradiert,
Wird jeden Morgen sich rasiert
Wer einen Bart hat und studiert,
Wobei man heimlich Zeit verliert
Und wie ein braver Zinnsoldat
In seinem eigenen Salat
An’s End der Eieruhr marschiert.