Band 2 – 2.8 – Das Selbst-Los

Das Selbst-Los

Ist’s nicht erstaunlich,

Daß man sich,

Ganz wie den Nachbarn

Selbst am wenigsten nur kennt,

Daß man mit sich selbst

Gegen Pfeiler aus Beton

Mit Sicherheit dreimal am Tag

Ans falsche Telefon

Oder gegen sich selber rennt.

Ist’s wahr, daß man den eig’nen Namen,

Von allen die vorüber kamen

Am allerliebsten redend nennt,

In den Spiegel liebsam schaut

Und sieht, worauf man täglich pennt.

Das eig’ne Kissen schaut man ruhsam glücklich an

Und sieht doch nicht die Läuse,

Die drin stecken, in dem Gehäuse

Und doch verkrochen sind wie Igel

Und keinsfalls nicht nur im Spiegel.

Ja, wie ein eig’nes Siegel,

So überzieh’n wir uns

Mit uns’rem eig’nen Lack,

So wie ein stolzes Gütesiegel

Steigen wir in uns’ren Frack

Und sind mit uns außenpolitisch

Überkanditelt oberkritisch.

Uns selbst die Wand

Im eig’nen Kopf

Am allerwenigsten erkannt,

Und in uns selbst hinein wie eingebrannt,

Hängen wir uns am eig’nen Schopf

Und dreh’n uns treibend tief im Sand.

Unser Geist wird wie am Chiang Tse(wie heißt der Fluß?) Damm

Der gestern grad‘ aus seinem Bett in unseres hinüberkam,

Wie manchmal bei der Formel 1-

Ein andresBeispiel weiß ich kein’s-

Ausgebremst und eingestoßen

Und ausgebrannt in Unterhosen,

Wie Graf Pipi zurückgelassen.

In eig’nen Rauch-Gedankenblasen

Stehen wir einsam und verlassen

In unseren Gedankengassen

Und verblassen.

Ach wär der Geist

Doch einmal nur

In ferne Länder,

In weiße Gewänder

Eingehüllt mit sich selbst verreist.

Unsere Hautfarbe ist blaß,

Denn ständig redet irgendwas

In uns’rem Kopf und füllt das Faß

Und läßt es schließlich überlaufen

In blubbernden gesproch’nen Haufen,

Die dort beim Bäcker

In der Früh schon wie ein Wecker

Vor uns über die Straße laufen.

Der einzig Gescheite

War Friedrich der Zweite

Denn der rief zu Zeiten,

Da andere noch freiten,

Und in Betten lagen, die Gelüste begleiten:

“Gebt Gedankenfreiheit,

Gebt freies Geleit!”

Doch wir in uns’ren alten Zagen

Riefen gleich wieder:

“Darf ich’s wagen,

Gnädiges Fräulein,

Sie mit uns selbst gleich einzusargen

Und an Ihrem Geläute,

Wie glückliche Bräute,

Ein kleines wenig mitzutragen?”

So steh’n wir mit der eig’nen Lust

An uns selbst im steten Frust

Im eig’nen Frost

Und hängen rot am eig’nen Rost,

Bis wir die Zügel schießen lassen

Um dann, im fernen Süden,

Auf fernen Marmor-Fernterrassen

Mit uns selbst aus uns’ren prüden

Gebäuden uns mit uns verlassen

Und wie mit Pegasus die Straßen

Wie gewohnt den Wind erfassen,

Wenn wir durch die Lüfte fliegen

Und faul auf uns’ren Bäuchen liegen,

Im eigenen Flügel,

Ohne feste Zügel,

Nur noch wie Watte

In einer fernen Hängematte

Den fernen Tag genießen,

Mit dem Geist wie ein Pfeil

An einem unsichtbaren Seil

Durch die Milchstraße schießen

Und uns selbst wie Honig genießen,

Wie süßen.

Weils anders nicht mehr sein kann,

Weil wir müssen,

Hängen wir fremden Göttern an den Füßen

Und schwelgen taumelnd in Genüssen

In weichen Zärtlichkeiten und küssen

Uns selbst ins eig’ne Glück hinein,

Und tanzend froh auf auf einem Bein

Laden wir dann uns selber ein

Wie Kobolde ins eig’ne Heim

Als fremden Freund zum Seligsein.

Und finden’s fein,

So selbslos selig

In uns selbst verliebt

Froh jauchzend auf der Welt zu sein.

Doch mit sich selbst so ganz allein?

Ach nein:

Der Teufel hält den Pakt

Und in der Hand das and’re Bein

Und schlägt recht kräftig auf uns ein,

Na fein.

Dann wollen wir mal fröhlich sein

Mit Hörnern und mit Hänschenklein,

Mit Croissants, mit Tee und Wein,

Mit Schweinshaxen und Faxen

Und anderen Kurtaxen,

Die wir nun mal bezahlen müssen

Stehend auf zwei merkwürdigen Füßen,

Die wir nur mit Mühe küssen,

Weil wir jetzt zur Arbeit müssen

Doch dürft‘ ich Sie am Morgen schon begrüßen?

Die Damen, die dort am Reitstall

Bei den Pferden und deren Herden

Gerade vorüberkamen

In Baden Baden

Bei den Barden

Und singen,

Den Karren schon vollgeladen

Mit Leckerein und Meckerein,

Beim heißgeliebten Stelldichein?

So soll es sein!

Und Gruß und Kuß

Und schwingt das Bein.

Denn so ist es nett,

Denn wie beim Roulette,

Kann die drehende Kugel nur glücklich sein.

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