Das Selbst-Los
Ist’s nicht erstaunlich,
Daß man sich,
Ganz wie den Nachbarn
Selbst am wenigsten nur kennt,
Daß man mit sich selbst
Gegen Pfeiler aus Beton
Mit Sicherheit dreimal am Tag
Ans falsche Telefon
Oder gegen sich selber rennt.
Ist’s wahr, daß man den eig’nen Namen,
Von allen die vorüber kamen
Am allerliebsten redend nennt,
In den Spiegel liebsam schaut
Und sieht, worauf man täglich pennt.
Das eig’ne Kissen schaut man ruhsam glücklich an
Und sieht doch nicht die Läuse,
Die drin stecken, in dem Gehäuse
Und doch verkrochen sind wie Igel
Und keinsfalls nicht nur im Spiegel.
Ja, wie ein eig’nes Siegel,
So überzieh’n wir uns
Mit uns’rem eig’nen Lack,
So wie ein stolzes Gütesiegel
Steigen wir in uns’ren Frack
Und sind mit uns außenpolitisch
Überkanditelt oberkritisch.
Uns selbst die Wand
Im eig’nen Kopf
Am allerwenigsten erkannt,
Und in uns selbst hinein wie eingebrannt,
Hängen wir uns am eig’nen Schopf
Und dreh’n uns treibend tief im Sand.
Unser Geist wird wie am Chiang Tse(wie heißt der Fluß?) Damm
Der gestern grad‘ aus seinem Bett in unseres hinüberkam,
Wie manchmal bei der Formel 1-
Ein andresBeispiel weiß ich kein’s-
Ausgebremst und eingestoßen
Und ausgebrannt in Unterhosen,
Wie Graf Pipi zurückgelassen.
In eig’nen Rauch-Gedankenblasen
Stehen wir einsam und verlassen
In unseren Gedankengassen
Und verblassen.
Ach wär der Geist
Doch einmal nur
In ferne Länder,
In weiße Gewänder
Eingehüllt mit sich selbst verreist.
Unsere Hautfarbe ist blaß,
Denn ständig redet irgendwas
In uns’rem Kopf und füllt das Faß
Und läßt es schließlich überlaufen
In blubbernden gesproch’nen Haufen,
Die dort beim Bäcker
In der Früh schon wie ein Wecker
Vor uns über die Straße laufen.
Der einzig Gescheite
War Friedrich der Zweite
Denn der rief zu Zeiten,
Da andere noch freiten,
Und in Betten lagen, die Gelüste begleiten:
“Gebt Gedankenfreiheit,
Gebt freies Geleit!”
Doch wir in uns’ren alten Zagen
Riefen gleich wieder:
“Darf ich’s wagen,
Gnädiges Fräulein,
Sie mit uns selbst gleich einzusargen
Und an Ihrem Geläute,
Wie glückliche Bräute,
Ein kleines wenig mitzutragen?”
So steh’n wir mit der eig’nen Lust
An uns selbst im steten Frust
Im eig’nen Frost
Und hängen rot am eig’nen Rost,
Bis wir die Zügel schießen lassen
Um dann, im fernen Süden,
Auf fernen Marmor-Fernterrassen
Mit uns selbst aus uns’ren prüden
Gebäuden uns mit uns verlassen
Und wie mit Pegasus die Straßen
Wie gewohnt den Wind erfassen,
Wenn wir durch die Lüfte fliegen
Und faul auf uns’ren Bäuchen liegen,
Im eigenen Flügel,
Ohne feste Zügel,
Nur noch wie Watte
In einer fernen Hängematte
Den fernen Tag genießen,
Mit dem Geist wie ein Pfeil
An einem unsichtbaren Seil
Durch die Milchstraße schießen
Und uns selbst wie Honig genießen,
Wie süßen.
Weils anders nicht mehr sein kann,
Weil wir müssen,
Hängen wir fremden Göttern an den Füßen
Und schwelgen taumelnd in Genüssen
In weichen Zärtlichkeiten und küssen
Uns selbst ins eig’ne Glück hinein,
Und tanzend froh auf auf einem Bein
Laden wir dann uns selber ein
Wie Kobolde ins eig’ne Heim
Als fremden Freund zum Seligsein.
Und finden’s fein,
So selbslos selig
In uns selbst verliebt
Froh jauchzend auf der Welt zu sein.
Doch mit sich selbst so ganz allein?
Ach nein:
Der Teufel hält den Pakt
Und in der Hand das and’re Bein
Und schlägt recht kräftig auf uns ein,
Na fein.
Dann wollen wir mal fröhlich sein
Mit Hörnern und mit Hänschenklein,
Mit Croissants, mit Tee und Wein,
Mit Schweinshaxen und Faxen
Und anderen Kurtaxen,
Die wir nun mal bezahlen müssen
Stehend auf zwei merkwürdigen Füßen,
Die wir nur mit Mühe küssen,
Weil wir jetzt zur Arbeit müssen
Doch dürft‘ ich Sie am Morgen schon begrüßen?
Die Damen, die dort am Reitstall
Bei den Pferden und deren Herden
Gerade vorüberkamen
In Baden Baden
Bei den Barden
Und singen,
Den Karren schon vollgeladen
Mit Leckerein und Meckerein,
Beim heißgeliebten Stelldichein?
So soll es sein!
Und Gruß und Kuß
Und schwingt das Bein.
Denn so ist es nett,
Denn wie beim Roulette,
Kann die drehende Kugel nur glücklich sein.