Alles ist gut

Alles ist gut
26/12/2001

Weiße Weihnachten haben wir uns ja schon lange einmal wieder gewünscht. Und nun, nach so vielen Jahren der Enttäuschung und Niederlagen, nach vielen herben Rückschlägen, bei denen wir das Jesuskind in einer verregneten Krippe haben liegen sehen, nun doch, ganz am Ende: die weiße Pracht. Da liegt es nahe, einmal wieder Danke zu sagen. Danke wem wohl: Dem Lieben Gott und Vater im Himmel und nicht nur dort. Denn jetzt, so ganz in das weiße Kleid der Natur gebettet, da können wir es uns hier in Deutschland endlich wieder vorstellen, wie das Christkind im Stroh liegt, dort in Bethlehem, bei schauerlichen Sommertemperaturen, eingewickelt in ein einfaches Tuch. Und wir schauen das Kind und stellen es uns vor, wie es uns anschaut und erlöst, durch seinen vollkommenen Geist und erleuchteten Kinderblick. Ob auch Jesus allerdings bei aller Erleuchtung und trotz Auserwähltsein in die Windeln gemacht hat, wurde bis jetzt noch nicht wissenschaftlich untersucht. Und wir wissen auch nicht, ob er geschrieen hat und Maria zur Weißglut trieb. Aber wir vermuten doch, dass allein der Weihrauch in der kindlichen Nase für genügend Verwirrung gesorgt haben dürfte. Denn der Weihrauch ist es schließlich auch, der noch heute so manchen willigen Teilnehmer einer Christmette zu Boden zwingt. Wie oft wird die Botschaft aber überhört, die doch ganz klar lautet: Beschenkt den nächsten Erlöser nicht mir Weihrauch! Aber auf den wartet nun ja auch gerade keiner mehr. Es ist Weihnachten und…der Erlöser ist da. Da braucht es keinen neuen. Der alte kommt jedes Jahr wieder. Endlich. Und die weiße Pracht ist auch da. Und das Glatteis ist auch schon da, und die Schneeverwehungen und die Staus, die Geschenke…einfach alles ist da. Uns fehlt nix. Und wie sie so vor uns liegt, die stille Straße der Weihnachtszeit, in der sonst das Leben tobt, da versuchen wir alle einmal inne zu halten und spüren doch, wie uns dabei unmerklich der Fuß, den wir mit unserem Bein über das Knie gelegt haben, wippt und wippt, ganz so als wollte er uns sagen, dass das Leben doch im Grunde, immerzu und auch in diesen Tagen, eine nimmer still haltende Schaukel ist, auf der es rauf und runter geht. Und wir bemerken, dass uns in diesem Schaukeln etwas abhanden gekommen ist. Und zwar die stille Mitte, das große Schweigen, das wir in uns tragen und aus dem heraus sich das Leben gewissermaßen selbst gebiert. So ziehen die Weihnachtsstunden wir ein Schneesturm, den wir durchs Fenster betrachten an uns vorbei, und wir ahnen, wovon wir hier sprechen, wenn wir auf RTL dem Pferdeflüsterer dabei zusehen, wie er mit einem tiefen Blick in das Auge eines Pferdes schaut und dabei klammheimlich eine Tierseele gesund macht und rettet. Wenn wir doch nur ein Pferd wären, denken wir, dann wären wir gerettet. Und auch im Gottesdienst hören wir es zum Ende der Wandlung: Herr sprich nur ein Wort, dann wird meine Seele gesund. Aber Er spricht kaum und hält sich insgesamt sehr zurück. Vielleicht weil wir weder Mensch noch Pferd sind, sonder allzu oft: Rindviecher.

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